In Frankreich ist eine Justizreform im Gange. Unter anderem sollen die Befugnisse der Polizei zur Überwachung von potenziell Verdächtigen erweitert werden. Möglich wäre es dann, mobile Geräte wie Smartphones, Laptops oder andere vernetzte Geräte wie z.B. in Autos, zu überwachen. GPS, Kamera und Mikrofone von Geräten aus der Ferne zu aktivieren und damit verdächtige Personen zu überwachen. Damit hätte die Polizei Zugriff auf den Standort der überwachten Person und könnte diese abhören.
Für jede der Maßnahmen ist nach dem Gesetzesentwurf eine richterliche Genehmigung nötig und die Gesamtdauer darf sechs Monate nicht überschreiten. Der Zugriff auf Standortdaten ist überdies nur für mutmaßliche Straftaten erlaubt, auf die mehr als fünf Jahre Gefängnis stehen. Wichtig sei auch zu beachten, dass Berufsgeheimnisträger*innen wie Anwält*innen, Journalist*innen und Ärzt*innen nicht überwacht werden dürfen.
Die zuletzt genannten Einschränkungen wurden von den Abgeordneten der Regierungspartei während einer Parlamentsdebatte gefordert und eingebracht. Die Maßnahme wurde demnach in erster Lesung verabschiedet.
Der französischen Polizei wäre es nach der neuen Gesetzeslage möglich Personen nicht nur durch physische Verwanzung zu überwachen, sondern auch durch Fernzugriff auf Geräte. Verdächtige Personen werden demnach gehackt und Gespräche können unbemerkt abgehört und aufgezeichnet werden. Auch technischer Sicht werden so die eigenen Geräte unter der Ausnutzung von Sicherheitslücken zu Wanzen.
Dazu muss die Polizei unbemerkt sogenannte Staatstrojaner auf dem Gerät installieren. Diese Software kaufen staatliche Behörden in der Regel bei kommerziellen Herstellern. Eine der bekanntesten Spywares ist dabei „Pegasus“. Hierüber haben wir bereits einen ausführlichen Post veröffentlicht (LINK PEGASUS ARTIKEL?). Immer wieder taucht solche Spyware auch in autoritären Staaten auf, wo sie zur Unterdrückung der Opposition oder der Presse zum Einsatz kommt. Vor allem Staaten wie Ungarn, Polen, Spanien und Griechenland stehen im Zentrum der Skandale rund um Pegasus. Aus Frankreich sind keine Fälle unrechtmäßiger Überwachung von Seite des Staates bekannt geworden. Trojaner und ihr Missbrauch waren mehr als ein Jahr lang Gegenstand in einem Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments. Viele Politiker*innen und Fachleute fordern ein Verbot solcher Technologien in der EU. Sie seien eine zu große Gefahr für die Demokratie. Das EU-Parlament konnte sich hierzu nicht durchringen, es hatte die Kommission lediglich zu einem Moratorium aufgefordert.
Die Reform stößt dabei auch auf Kritik. Bürgerrechtsorganisationen wie La Quadrature du Net betrachten die Reform als schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre. Es drohen Verletzungen von Grundrechten und -freiheiten, wie das Recht auf Sicherheit, Privatsphäre und Briefgeheimnis sowie das Recht auf Bewegungsfreiheit. Befürchtet wird die schleichende Einführung eines „Überwachungsstaates“. Gewarnt wie vor allem vor einem möglichen missbräuchlichen Einsatz durch Polizeibehörden. Gegner der Justizreform fordern vor allem, dass staatliche Stellen Sicherheitslücken schließen sollten, statt diese für eigene Zwecke zu nutzen. Der Justizminister Éric Dupond-Moretti wendet gegen die Bedenken ein, es gehe nur um „ein Dutzend Fälle im Jahr“. Dass die Überwachungsmaßnahmen laut dem Gesetzentwurf lediglich für „schwere Straftaten“ vorgesehen sind wird vielfach kritisiert durch La Quadrature du Net. Diese Maßnahmen seien auch schon zum Einsatz gekommen, um politische Aktivist*innen zu verfolgen, wie beispielsweise „Personen, die sich mit Migrant*innen solidarisieren und der bandenmäßigen Beihilfe zur Einreise von Personen beschuldigt werden“. Betroffen seien laut La Quadrature du Net auch Umweltaktivist*innen oder Menschen, die gegen die Einlagerung von Atommüll stark machen.
Die Auswirkungen das Gesetz in der Praxis sind noch unklar. Die Zukunft wird zeigen, ob sich die Aussage des französischen Justizministers „Wir sind weit entfernt vom Totalitarismus von 1984„ bewahrheitet.